Mittwoch, 1. Dezember 2010

Esoterikfreunde Stuttgart - Sektenfiliale oder Sektenfalle?

Die Vergangenheit holt mich ein

Gestern war ich auf der Groß-Demo mit über 50.000 Menschen gegen das umstrittene Bau-Projekt Stuttgart 21. Und da ist mir etwas passiert, was ich in den letzten 2 Jahren immer wieder erfahren durfte. Eine Frau tritt auf mich zu und sagt: "Kennst Du mich noch?" Leider konnte ich mich nicht erinnern. "Wir kennen uns von den Esoterikfreunden, und seit das damals mit Dir passiert ist, bin ich dort nie wieder hingegangen."

Seit vielen Jahren kenne ich befreundete Menschen, die sich mit Meditation, Spiritualität und Heilung beschäftigen. Es sind Menschen, die sich mit den Gesetzen der Natur auskennen, diese hilfreich anwenden, und die kaum auf die Idee kommen würden, sich als Esoteriker zu bezeichnen. Seit 20 Jahren ist Esoterik ein immer beliebter gewordenes Modewort, das mit bestimmten Produkten einen großen Markt abdeckt. Aber auch für viele ist Esoterik ein Reizwort, das Fans und Gegner der Szene klar definiert.


Das Esoterik-Frühstück

Eine Gruppierung, die sich direkt "Esoteriker" nennt, hatte ich vorerst nie wahrgenommen. 2006 erzählte mir eine gute Freundin von den Esoterikfreunden in Stuttgart. Über den Begriff "Esoterikfreunde" musste ich zuerst staunen, und ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, welche Menschen sich dort gemeinsam versammeln. Weiter staunte ich auch über die geniale Marketing-Idee, denn die Begrifflichkeit "Esoterikfreunde" kann eine riesige Zielgruppe erreichen, und das machte mich neugierig. Und so kam ich zu meinem ersten Esoterikfrühstück sonntags bei den Esoterikfreunden in Stuttgart.

Jeder kann kommen und es kostet nichts, so was gefällt mir. Und die Esoterikfreunde haben ihren Führer, der das ganze aufgezogen hat und managt. Er ist eher ein seriöser Anzug- und Krawattentyp und hat ein korrektes Auftreten wie ein gut geschulter Außendienstmitarbeiter. Seit einem Jahr schon betreibt er die Esoterikfreunde, zuvor war er nach eigenen Angaben Taxifahrer, Automobilverkäufer, Reiseleiter, Tankstellenpächter, Berufskraftfahrer, Außendienstmitarbeiter und im Gefängnis, was alles nichts heißen soll, denn er war sympathisch und zu mir sehr nett. Ich freundete mich mit ihm an.

Bei den sonntäglichen Frühstückstreffen gab es Vorträge zu esoterischen Themen. Und es gab weitere Veranstaltungen für Meditation, Filmabende und Wanderungen, die alle vom Führer der Esoterikfreunde bekanntgegeben und organisiert wurden. Er als alleiniger Macher der Gruppe „Esoterikfreunde Stuttgart“ gab die Interessen-Richtung an. Viele Menschen unterschiedlichster Gruppierungen fühlten sich angesprochen, besonders auch die, für die damals Esoterik etwas Neues und Aufregendes war.


Die Organisation

Die Esoterikfreunde Stuttgart waren kein eingetragener Verein, keine GbR, keine Firma oder sonst eingetragene Institution (ob das heute noch so ist, weiß ich allerdings nicht).
So was gefällt mir, man muss nicht Mitglied werden, nichts unterschreiben, und es gibt keine Verpflichtung. Und ich hatte das Gefühl, ich könnte mit meinen Ideen zum Programm der Esoterikfreunde Gutes beitragen. Unter Abstimmung mit dem Führer organisierte ich somit eine Maiwanderung zu einem Kraftplatz mit Meditation, und ich hielt bei einem Esoterikfrühstück einen Vortrag. Nach den Vorträgen darf immer reichlich gespendet werden, und wenn viele im Raum sind (bei meinem Vortrag waren es ca. 60 Anwesende), kommen Sonntag für Sonntag viele Scheine in den Topf, denn Esoteriker können ziemlich spendabel sein. Ich erhielt für meinen Vortrag kein Geld, die Spenden übernahm der Führer, um, wie er sagte, mit diesen Einnahmen DVDs anzuschaffen, die man bei ihm wiederum günstig mieten könnte. Weiter benötige er das Geld, um die Internetseite zu unterhalten. Ich hörte, andere Referenten erhielten auch kein Geld für ihre Vorträge.
Und so lernte ich die sogenannte Stuttgarter Esoteriker-Szene kennen, höfliche nette Leute, viele mit einer schönen bis witzigen Ausstrahlung. Aber nicht bei allen konnte ich meine Sympathie erwecken, dazu war ich für einige eine viel zu schrille Persönlichkeit. Toleranz zur Andersartigkeit war scheinbar in diesem Kreis noch nicht ganz durchgedrungen, und auch mit meinem Humor konnte ich bei weitem nicht überall punkten. Es waren ganz unterschiedliche Menschen da, Suchende, Wissende, Hellsichtige, Bedächtige, Indien-Reisende, Fans der schwarzen Magie, spirituelle Lehrer und Unwissende. 



Der Anfang vom Bruch

Allmählich war ich öfters behilflich bei der Werbung und gestaltete für den Führer der Esoterikfreunde grafische Flyer und andere Werbehilfen. Ich gab weiter dem Leiter einige werbliche Tipps. Einer der Tipps war, er könnte im Internet die Esoterikfreunde auf Groops-Seiten bundesweit organisieren und in Städte einteilen. Diese Idee gefiel ihm besonders gut. Er wollte, dass ich Monat für Monat für ihn die Web-Betreuung übernehme, aber wir wurden uns über die Bezahlung nicht einig und es kam nicht zu dieser Zusammenarbeit.
Später entwickelte ich für ihn eine neue Internetseite, die ihm sehr gut gefiel, und die ich erst ins Netz stellen wollte, wenn meine tagelange Arbeit auch bezahlt würde. Aber die Seite ging nicht online, weil mehrere Monate lang über den Preis diskutiert und gefeilscht wurde. Und auch hier wurden wir uns bezüglich der Kosten nicht einig. Nach einiger Zeit sagte ich zu ihm, dass wir das mit der Internetseite einfach lassen sollten, besser keine Geschäfte miteinander machen, und dass ich mit ihm lieber weiterhin Freund bleiben möchte.


Das Ende einer Ära

Das war das Ende einer Ära. Ab jetzt wurde der Ton rauer. Nach zwei Jahren der freundschaftlichen Mitwirkung sollte ich nun die wahrhaften Züge dieser Gruppierung erfahren, eine strenge Richtungsweisung wurde für mich deutlich spürbar. Er als alleiniger Führer bestimmte autoritär, was man während des sonntäglichen Esoterikfrühstücks darf und was man nicht darf. So untersagte er mir, einen Veranstaltungs-Flyer auszulegen, während andere, die zu seinem besonderen Wirkungskreis zählten, alle ihre privaten Veranstaltungen mit dem Verteilen von Flyern bewerben durften. Ich gehörte irgendwie nicht mehr zu dieser "Elite". Plötzlich kam ich mir vor wie in einer Sekte. Und ich wusste, diesen diktatorischen Vorgaben würde ich mich niemals anpassen. Das kann nicht der richtige Weg sein.

Es wurde ungemütlich für mich. Ich beschloss zu gehen. Aber das wollte ich so machen, dass es öffentlich stattfindet und dass dies möglichst viele bemerken und mitkriegen. Es war für mich wichtig, den Ausstieg bei den Esoterikfreunden deutlich nach außen zu zeigen. Dafür gibt es Gründe: Ich kann nicht abschätzen, wie sich diese sektenähnliche Gruppierung in Zukunft entwickelt. Die Stuttgarter Presse ist in Sektenangelegenheiten sehr hellhörig, und damit möchte ich (auch wegen einer früheren Erfahrung) nichts zu tun haben. Und genau darum ist mir der Abstand wichtig.


Die Inszenierung

So inszenierte ich meinen Rauswurf und verteilte beim nächsten Esoterikfrühstück, zu dem ich noch per Mail eingeladen wurde, trotz strengem Verbot meinen Meditations-Flyer. Dies hatte Wirkung. Der Führer der Esoterikfreunde rastete völlig aus, schrie mich vor versammeltem Saal an und erteilte mir lautstark Hausverbot. Er zeigte die wahre Persönlichkeit eines „Esoterikführers“. Und ich ging.

Um den Rauswurf wirkungsvoll zu untermauern, verschickte ich parallel eine Mail an die Esoterikfreunde mit einem humorvollen Tipp zu einer meiner Meditations-Veranstaltung. Ich ahnte schon, dass dieser Mail-Versand ebenso absolut verboten war – aus der Sicht des Esoterik-Führers. Und das hat ihm überhaupt nicht gefallen.

Und es wurde jetzt so richtig ungemütlich für mich. Der Esoterik-Führer verbreitete, dieser Mailversand sei eine „kriminelle Handlung“ und ich sei ein „Krimineller“ (!). Dann wurde diese Aussage sogar auf der Internetseite der Esoterikfreunde Stuttgart gepostet und fast ein Jahr lang konnte man dort nachlesen, ich sei ein Krimineller.
Es wurde eine umfassende Rufmord-Kampagne gegen meine Person gestartet. Kennen wir das nicht von Scientology? Ich erhielt Anrufe, in denen ich gefragt wurde, ob ich wüsste, dass ich ein Krimineller sei? Zeitgleich (innerhalb von 3 Tagen) wurde mir ein Fernseh-Auftritt in einer Talkshow abgesagt und meine Radio-Comedy bei einem großen Sender kurzfristig beendet. Alles Zufall? Oder schwarze Magie (und das sage ich mit Humor)? Oder nur ganz übliches Sektengehabe?
Inzwischen sind mehr als zwei Jahre vergangen und ich habe etliche Menschen getroffen, die ebenso bei den Esoterikfreunden ihren Rausschmiss erlebten und danach leider auch eine ähnliche Erfahrung machten wie ich. Drei Frauen erzählten mir, sie würden nicht mehr hingehen, weil sie schon bei der ersten Begegnung vom Esoterikführer körperlich unangenehm berührt wurden und sich belästigt fühlten: "Er hat mich bei der ersten Begrüßung betatscht und mit seiner Zunge mein Ohr abgeleckt." (Zitat)
Soweit meine Erfahrung mit den Esoterikfreunden Stuttgart.


Und nun kommt das, was mir wirklich sehr weh tat

Ich hatte einen Freund, den ich seit 39 Jahren kenne. Ich habe viele Jahre mit ihm zusammengearbeitet und wir haben Unmengen an gemeinsamen Geschichten erlebt. Bis zuletzt war er für mich ein sehr netter, aber auch wichtiger Geschäftspartner. Auch er war seit Jahren bei den Esoterikfreunden dabei und mit dem Esoterikführer gut befreundet. Er schrieb mir plötzlich eine Mail mit dem Inhalt, „er wolle mit mir nichts mehr zu tun haben, nicht in diesem Leben und auch nicht in den nächsten 2 Leben! Und unsere Zusammenarbeit wäre ab sofort beendet!“
Ich war völlig sprachlos, nicht nur wegen dem unsinnigen Inhalt. Solche Mails kannte ich überhaupt nicht von ihm, so ist er nicht. Mein erster Gedanke war: Wer hat ihm da was eingetrichtert?
Dennoch habe ich den Vorgang akzeptiert. Sehr hart traf mich, dass die Beendigung der Zusammenarbeit eine Woche vor einem Projekt stattfand. Hier wäre ich auf seine ursprüngliche Zusage angewiesen gewesen. Das war für mich sehr problematisch. Und wir haben uns bis heute nie wieder gesprochen.


Etwas Hintergrund-Information

Als ich für den Esoterikführer in guter werblicher Absicht engagiert arbeitete und ihm auch viele Ideen lieferte, besass er die Internet-Domain „esoterik-freunde-stuttgart.de“. Ich habe ihm dringend geraten, unbedingt baldmöglichst die weiteren (damals noch freien) Domainnamen „esoterikfreunde-stuttgart.de“ und „esoterik-freunde.de“ für sich reservieren zu lassen. Diesen Rat gab ich ihm mehrfach. Dennoch ist er meinem Rat nicht gefolgt. Als nach einiger Zeit diese Domains noch immer zu haben waren und ich die Befürchtung hatte, jemand könnte die wertvollen Namen wegschnappen, habe ich die beiden Domains vorübergehend auf meinen Namen bestellt, um damit durch die Reservierung eine Fremdnutzung zu unterbinden. Ich machte das gerne, ich tat das ja mit Begeisterung für die Esoterikfreunde. Dem Esoterikführer sagte ich, wir könnten die beiden Domains jederzeit auf seinen Namen überschreiben lassen. Doch irgendwie interessierte es ihn nicht besonders. Dann kam es zum Bruch mit den Esoterikfreunden, und ich hatte die beiden Domains noch immer.

Jetzt wurde das Gerücht verbreitet, ich wolle ihm die Domain-Namen wegstibitzen. Daran war ich überhaupt nicht interessiert, denn was sollte ich mit diesen Namen anfangen? So liess ich die beiden Domains ruhen, um sie irgendwann an den Esoterikführer oder an einen anderen Interessenten überschreiben zu lassen. Ich wartete ein Jahr lang, aber von den Esoterikfreunden wurde kein Interesse bekundet und ich beschloss, beide Domains über Sedo zum Verkauf anzubieten.
Die Domain „esoterik-freunde.de“ wurde daraufhin verkauft und wird über Umwege inzwischen von den Esoterikfreunden genutzt. Die Domain „esoterikfreunde-stuttgart.de“ habe ich gekündigt.



Esoterisches Fazit

Es gab immer Wissende, Heiler, Schamanen und Menschen, die für andere Menschen in Hilfsbereitschaft da waren. Die gab es zu allen Zeiten und in allen Kulturen, manchmal versteckt, oft aber auch öffentlich und zugänglich. Die Zeichen der Zeit haben die jeweilige Struktur im Umgang mit der Gesellschaft als seriös oder als ketzerisch bestätigt. In unserer derzeitigen Struktur von gesellschaftlicher Wandlung und geistiger Erweiterung gibt es diese Begegnungen in aller Offenheit, da es in unserer Kultur derzeit keine Zwänge durch Glauben oder Politik gibt, die „unübliche Denkweisen“ verbieten, und das ist gut so.

Und so lässt es der Wandel auch zu, dass unter dem Aspekt größter Toleranz Gruppierungen zu Tage treten, die sich in einem neuen Gewand auf altes Wissen berufen oder dies zumindest behaupten. Die Begrifflichkeit „Esoterik“ wurde zum Sprungbrett für viele, die in einer Zeit von massenhaften Kirchenaustritten eine Neuorientierung oder auch sogar einen geschäftlichen Aspekt suchten.

So möchte ich nicht zur Diskussion stellen, ob „Esoteriker“ Wissende oder Gläubige sind, aber es werden immer die sein, die sich ihres Weges noch nicht ganz sicher sind und vom scheinbar Magischen angezogen werden. Und die Magie hat bereits Wirkung, wenn ein esoterisch orientierter Erzähler nur von magischen Ereignissen oder mystischen Zusammenhängen spricht, denn unsere heutige tolerante Denkweise gestattet dies.

Und so wird es auch sein, dass die eigentlichen Wissenden kein Marketing benötigen durch eine geschickte Wortwahl ihres Handelns. Der Wissende wird sich nicht das Erscheinungsbild eines Esoterikers zulegen oder gar eine Gruppe eröffnen, um „Esoterik“ zu verkünden. Wissende, Heiler, Helfer brauchen ihr Tun niemals mit esoterischen Begründungen hinterfragen lassen, weil sie in Einfachheit ihren Job machen – und das seit vielleicht Tausenden von Jahren.

Die Bewegung der Esoteriker darf als vorübergehende Zeiterscheinung betrachtet werden, möglicherweise auch als hilfreiche Richtungsweisung für freiheitlichere Gedanken im Gegenzug Jahrhunderte alter religiöser Glaubens- und Denkstrukturen. Und es wird eine Zeit eintreten, in der es „normal“ ist, esoterisch zu denken, aber die wenigsten werden sich dann deshalb auch als Esoteriker bezeichnen. Die derzeitigen Esoteriker, die sich so nennen, sind entweder Suchende, Unwissende Orientierungslose oder Interessierte - oder sie basteln sich eine berufliche Karriere im Deckmäntelchen derer, die noch immer glauben, Esoterik sei das wirkliche neue Ding. 

So bleiben wir in Toleranz zu Andersdenkenden und sind uns gewiss, dass diese Strukturen für bestimmte Menschen auch ihren Sinn ergeben für Erfahrung und Wachstum, und sich letztendlich von selbst intelligent auflösen werden.
Und diejenigen, die erkannt haben, wie leicht man Unwissenden freiwillige Spenden aus der Tasche ziehen kann, um sich persönlich zu bereichern, werden eine ganz besondere Lebenserfahrung machen, und ich verweise auf die Präzision karmischer Wirkung.
Ja, das wiederum hört sich sehr esoterisch an. Aber die karmische Gesetzmäßigkeit gab es schon vor der Erfindung des Wortes Esoterik und hatte immer eine globale Bedeutung innerhalb und außerhalb aller spirituellen Denkweisen.


Fazit total

Am besten erst gar nicht drauf reinfallen.